Rückblick auf das ☝️mit Abstand ☝️ skurrilste Jahr seit Doedelgedenken

[Bildlegende: Dieses Bild aus meiner Kindheit ist für mich das ultimative Symbolbild für das Jahr 2020. Begonnen hat alles ganz friedlich und in guter Absicht, aber dann ging es nur noch abwärts und der Schreck stand uns ins Gesicht geschrieben.]

Ich habe mich am Neujahrstag mit Günnter*, meinem inneren Schweinehund, über das Ausnahme-Jahr 2020 unterhalten.

Günnter: Hallo mein Sonnenschein frohes, neues Jahr! Eigentlich wollten wir dieses Gespräch ja gestern Abend, also an Silvester führen. Wir hatten es uns dafür schon auf der Couch gemütlich gemacht. Der letzte Abend des unglaublichen Jahres 2020, er hätte ja so entspannt sein können

Doedel: Hallo mein lieber Schweinehund – auch dir ein frohes und vor allem gesundes neues Jahr!

Ja, das Gespräch war ursprünglich gestern, im Anschluss an unser romantisches „Dinner for One“ geplant. Aber dann flatterte mir diese Anzeige von Swissqueya, einer brandneuen Online-Zumba-Plattform, auf den Bildschirm und da gab es kein Halten mehr. DAS war der Startschuss für eine beispiellose Silvester-Dance-Challenge wie sie zumindest unser Single-Haushalt noch nie erlebt hatte. Das Erste, was ich im neuen Jahr dringend brauchte war eine Dusche 🙂

Bewegung scheint zu einer Art Routine für Silvesternächte zu werden. Letztes Jahr schlurften wir stundenlang durch die Strassen Bariloches.

Tatsächlich! Vor genau einem Jahr, am ersten Weihnachtstag 2019 um präzis zu sein, brachen wir beide zu unserem Abenteuer ans Ende der Welt auf. Nach einer kleinen Verschnaufpause in Buenos Aires erreichten wir pünktlich zum Jahreswechsel unser neues Zuhause am malerischen Lago Nahuel Huapi im nördlichen Patagonien. Für uns war in jener milden Silvesternacht sonnenklar: DAS würde ein verdammt gutes Jahr werden! (Mehr dazu im Artikel Das exklusive Interview zum Jahreswechsel 2019/2020)

Heute, am Neujahrstag des Folgejahres, scheint die ganze Welt einfach nur froh zu sein, dass 2020 endlich der Vergangenheit angehört. 2021 kann nur besser werden, lauten die Kernbotschaften der Schlagzeilen…

Dass wir im Jahr 2020 geschlagene zwei Monate reisend verbringen durften, grenzt retrospektiv an ein kleines grosses Wunder. Was für ein Glück, dass wir es gerade noch rechtzeitig zurück nach Hause geschafft hatten, puh! (genehmigt sich einen zünftigen Schluck vom Ingwertee)

Mit Verlaub, das haben wir hauptsächlich meiner Wenigkeit zu verdanken. Du wolltest ja ursprünglich noch einige Wochen dranhängen. Es brauchte einiges an Überredenskunst meinerseits, pah! (zieht die rechte Augenbrauen streng nach oben)

Du hast ja recht. Ich erinnere mich, wie ich beim Buchen des Rückflugs eigentlich die zweite März-Hälfte im Visier hatte, dann aber intuitiv doch auf ein Datum Ende Februar wechselte. Es war letztlich eine Bauchentscheidung, gespickt mit einer Prise Schweinehund-Vernunft (zwinkert), der ich es verdanke, nicht Teil der grössten Rückholaktion der Schweiz geworden zu sein. Es sind solche Erlebnisse, die das Vertrauen in mein Bauchgefühl stärken. Seit vielen Jahren schon. Was wäre ich bloss ohne mein Bauchgefühl, was wäre ich bloss ohne dich? ❤

Oh, ein Komplidings…. wie lieb von dir! Nun, inzwischen sind wir seit zehn Monaten zurück. Wie beurteilst du unsere „Zeit am Ende der Welt“ heute, also mit etwas Abstand?

(schmunzelt ab der Formulierung „mit Abstand“) Es war eine famose Zeit. Die Vormittage standen voll und ganz im Zeichen meiner grossen Leidenschaft für die spanische Sprache. Nachmittags unternahm ich Ausflüge in der für Outdoor-Aktivitäten bekannten Region rund um Bariloche oder ich arbeitete für eines meiner Hochschul-Projekte. Ich sass dann am Küchentisch, tippte Konzepte, brütete über kniffligen Spezifikationen und wertete die Ergebnisse einer Umfrage aus. Ich nannte es „erweitertes Homeoffice“. Mir gefiel das Modell an einem komplett anderen Ort einem Teil der gewohnten Arbeit nachzugehen. Zurück am Campus wollte ich das Modell mit all seinen Vorzügen und Grenzen meinen Kolleginnen und Kollegen schmackhaft machen. Aber bevor es dazu kommen konnte, äfften mich bereits alle nach indem sie sich ALLE in ihre Homeoffices verzogen hatten.

(kichert kurz und schlägt dann die Hände über dem Kopf zusammen)

Die Schweiz befand sich von einem Tag auf den anderen im Ausnahmezustand und Homeoffice war behördlich angeordnet, wo immer es möglich war.

Gütiger Himmel! Es galt Notrecht. Lockdown. Rien ne va plus. Bämm! Das war vielleicht ein Hammer.

Allerdings. Geleitet von meinem Bauchgefühl (zwinkert) holte ich am Vorabend des Lockdown drüben bei Melectronic ein 5 Meter langes HDMI-Kabel – es war das allerletzte im Regal. Es sollte eine der lohnenswertesten Anschaffungen des Jahres werden. Nebst dem Homebike, versteht sich. Und dem Ticket auf das Jungfraujoch. Und… egal: das Kabel ist jedenfalls längst amortisiert!

Hach ja… und dann blieben wir einfach mal zu Hause, genossen die Frühlingssonne lesend auf der Terrasse, unternahmen entspannte Spaziergänge und erste Velo-Touren und gingen generell alles wundervoll entschleunigt an.

Naja, nebenbei haben wir ja noch ein bisschen gearbeitet. Die Hochschule stellte von einem Tag auf den anderen den Präsenzunterricht ein. Im Zuge des Übergangs auf „Distance Teaching & Learning“ gab es im Hintergrund einiges zu Schwurbeln. Pragmatisches Handeln war gefragt – „liefere statt lafere“ lautete die Devise. Eine verrückte Zeit!
An das Homeoffice-Dasein war ich ja bereits gewohnt. Doch anders als im fernen Patagonien jagte am heimischen Küchentisch nun eine Videokonferenz die nächste. Mir wurde rasch klar, dass eine WorkLife taugliche Tagesstruktur her musste. Ein Hoch an dieser Stelle auf unseren PlanDö…

(hebt die rechte Hand spontan zum HighFive an, bemerkt die pandemiebedingte Unpässlichkeit des gegenseitigen in die Hände Klatschens jedoch sofort und streicht sich mit der Hand stattdessen eine Haarsträhne aus der Stirn)

…das Zwischenfazit von PlanDö nach der ersten Quarantäne-Woche liess sich jedenfalls sehen. Die allermeisten Vorsätze daraus blieben mir sogar über all die Monate erhalten und entwickelten sich unterdessen zur Routine. Punktuelle Anpassungen ergaben sich im Zuge der kontinuierlichen Weiterentwicklung von PlanDö – etwa dass die ursprüngliche Treppenhaus-Challenge durch kurze Einheiten auf dem Homebike abgelöst werden konnte. Aber im Grossen und Ganzen passt der Plan nach wie vor gut.

In dem erwähnten Zwischenfazit vergleichst du unser Leben im Lockdown mit Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel und dessen Warten auf bessere Zeiten (aka Freitag). Hand aufs Herz: wie einsam bist du?

Nun, als vor inzwischen neun Jahren mein neues Leben begann, war es mein oberstes Ziel, alleine klarzukommen. Das Alleinsein war damals eine komplett neue Erfahrung für mich. Schliesslich bin ich mit achtzehn Jahren quasi aus meinem Kinderzimmer direkt mit meiner grossen Liebe zusammengezogen und verbrachte die folgenden achtzehn Jahre an seiner Seite. Für den Start in mein neues Leben war es daher essenziell, dass ich alleine glücklich sein und ein erfüllendes Leben führen konnte. Natürlich war es ein ordentlicher Lernprozess, aber er hat sich gelohnt. In der Nachbetrachtung fühlen sich die vergangenen paar Jährchen wie die behutsame Vorbereitung auf das Jahr 2020 an.

Das Jahr 2020 bestand aus Einschränkungen an allen Ecken und Enden. Wie hast du, als durch und durch freiheitsliebendes Geschöpf, diese Zeit überstanden?

Zum Glück war Wandern und Biken ja jederzeit möglich. Ich bin dankbar für viele schöne Wanderungen im Alpstein, im Engadin, im Berner Oberland, im Wallis etc.. Die Woche in Zermatt bleibt mir in besonders toller Erinnerung, etwa das Outdoor-Fondue nach der Wanderung vom Gornergrat runter ins Dorf an meinem Geburtstag. In Zermatt für einmal praktisch ausschiesslich Schweizerdeutsch zu hören, war schon sehr speziell. Dasselbe galt für Interlaken. Corona sei Dank bot sich mir dort denn auch spontan die Möglichkeit auf das Jungfraujoch zu fahren – dies noch dazu an einem wahrlichen Bilderbuchtag.
2020 war nicht nur das Jahr der grossen Einschränkungen. Es war auch ein Jahr von möglicherweise einmaligen Chancen. Unter dem Strich hat mir 2020 durchaus auch die Augen geöffnet und mich zu Aktionen veranlasst, die ich sonst wohl nicht umgesetzt hätte.

Zum Beispiel?

Ich habe in den vergangenen Monaten gelernt zu kochen. Das Ganze entstand natürlich aus der Not heraus, weil ja die Restaurants bis Mitte Mai geschlossen blieben. Also musste ich selbst ran. Denn eine gesunde, ausgewogene Ernährung war schliesslich eines der erklärten Ziele von PlanDö (mehr dazu im Artikel Leben wie Robinson Crusoe – nur die Insel fehlt.). Aber was wirklich zählt und ich kaum je für möglich gehalten hätte: Kochen bereitet mir inzwischen tatsächlich Spass.

In den Herbstferien schliesslich habe ich mir meine Wohnung vorgeknöpft und ein ziemlich umfangreiches Umkrempelprojekt gestartet. Die Kurzfassung: ich habe mein düsteres Ankleidezimmer zu einem lichtdurchfluteten Wintergarten mit chilliger Lounge umgebaut. Auch Workouts sind dank der grossen Spiegelfront darin nun möglich. Ich könnte mir sogar ein Büro einrichten, wenn ich denn wollte. Ich kann in dem Zimmer nun eigentlich alles machen – ausser mich ankleiden (schmunzelt). Ich habe mit dem Projekt zusätzlichen Wohnraum geschaffen, was meine Zeit im Winter-Homeoffice massiv aufwertet und vermutlich will ich dann, wenn irgendwann wieder so etwas ähnliches wie das alte Leben zurückkehrt, gar nicht mehr raus (lacht). Ursprünglich dachte ich ja, das Projekt wäre nach der grossen „Umbau-Aktion“ im Herbst abgeschlossen. Aber dem ist nicht so, denn laufend kommen mir neue Ideen – es entwickelt sich allmählich zu einem „never ending project“! (lacht)

Während dem Sommer, drückte ich jeweils am helllichten Mittwochnachmittag die Schulbank – und zwar in Bariloche. Ja, du hast richtig gehört! Ich stand nach wie vor in Kontakt mit der Schulleiterin und da kristallisierte sich die Idee von Online-Lektionen heraus. In Argentinien galt zu der Zeit strikte Ausgangssperre. Die Plauderstunden per Skype waren da durchaus eine Win-Win-Situation. Und ich lernte nebenbei – also nebst dem, dass ich immer fliessender spanisch stotterte – viel über die Geschichte des Landes und des südamerikanischen Kontinents generell. Und wer sich mit der südamerikanischen Geschichte auseinandersetzt kommt nicht an der europäischen vorbei. Ich musste tatsächlich das eine oder andere europäische Kapitel auffrischen, um die Zusammenhänge bzw. Implikationen auf Südamerika zu verstehen oder zumindest besser einordnen zu können. Und wenn man mal weltgeschichtlich an einer Ecke eingetaucht ist, ist es schwierig wieder aufzutauchen und jedenfalls habe ich inzwischen auch einiges über andere Kontinente oder einzelne Länder vertieft – es ist fast schon eine Sucht.

Das klingt nach einem Vulkan an Ideen für den kreativen und intellektuellen Zeitvertreib. Der Stoff geht uns wohl so schnell nicht aus, das ist schön!

Hmmm…. nun, eine Frage beschäftigt mich schon seit einigen Tagen. Sie ist mir etwas unangenehm. Ich traue mich gar nicht richtig, sie zu stellen…

Na komm schon, raus damit!

(nimmt nochmals einen Schluck Brennesseltee)
Naja.. es geht um die Impfung. Ich meine: wir werden uns doch nicht etwa pieksen lassen?!

Ich dachte schon, du fragst nie! Doch, das werden wir, aber alles zu seiner Zeit. Jetzt sind erst mal die besonders schutzbedürftigen Personengruppen dran.

Du meinst damit den Bundesrat und die Zürcher Promis. (rollt diskret mit den Augen) Ernsthaft: warum sollten wir uns das antun? Ich meine, gegen die Grippe haben wir uns ja auch noch nie impfen lassen.

Das stimmt. Die Grippeimpfung stand noch niemals zur Debatte. Aber die Ausgangslage ist nun eine völlig andere. Während die Grippe-Impfung eine egoistische Entscheidung erträgt, baut die Impfung gegen Covid-19 auf eigenverantwortlichem Handeln und wird dadurch zu einer altruistisch geprägten Entscheidung – also einer Entscheidung zugunsten der Allgemeinheit, des grossen Ganzen. Es geht hier für einmal nicht nur um uns, verstehst du?! Der ganze Impf-Zirkus nutzt schliesslich erst dann etwas, wenn sich ein wesentlicher Teil der Bevölkerung impfen lässt. Dazu möchte ich meinen bescheidenen Teil beitragen.

Apropos „alkoholistisch“… (leckt sich mit der Zunge gierig über die Oberlippe) meinst du, wir könnten uns zur Feier des heutigen Neujahrstages…

Altruistisch. Ich sagte altruistisch!

Oh. Das muss dieser Alkoholentzug sein, mit dem du mich seit gefühlten Lichtjahren quälst.

Seit dem letzten Gläschen Malbec, drüben am chilligen Puerto Madero von Buenos Aires sind sage und schreibe zehn Monate und dreizehn Tage vergangen. Dabei war es ursprünglich ja nur der Plan gewesen, den traditionellen „Dry January“ aufgrund der Reise auf März zu verschieben. Aber dann war März und mit ihm nichts mehr wie früher und mein Verlangen nach Alkohol blieb komplett aus. Irgendwann wird die Lust auf ein Gläschen Rioja oder einen Aperol Spritz vielleicht wieder erwachen. Bis dahin geniesse ich dieses neue Lebensgefühl. Es bekommt mir verdammt gut.

Vielleicht würde ich der Impfung ja gelassener gegenüberstehen mit einem Schlückchen Rioja intus, nur einem ganz kleinen?

NEIN! (boxt energisch in eines der feuerroten Couch-Kissen)

Gerade als leidenschaftliche Weltenbummler steht es uns verdammt nochmal nicht zu, ein Theater in dieser für die Welt zentralen Impffrage zu veranstalten. Zu oft liessen wir uns in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren am Tropeninstitut beraten und schluckten daraufhin die eine oder andere Pille. Und seien wir ehrlich: einige davon ohne ernsthaft mit der Wimper zu zucken.

Trotzdem wird die Covid-Impfung gerade äusserst kontrovers diskutiert. Andere vertreten doch auch egoistische Haltungen, warum wir nicht?

Ich kann nur unser eigenes Tun und Denken steuern. Ich fände es ja schon ein vielversprechender Anfang, wenn „andere“ sich konsequenterweise über die Zutatenlisten und möglichen Langzeitfolgen von Energydrinks, Zigaretten und anderen Pfuiteufeleien mindestens genauso viele Gedanken machen würden, wie um den Inhalt einer Impfampulle zu Bekämpfung einer Jahrhundert-Pandemie.

Du scheinst in dieser Sache entschlossen, da muss ich, im Sinne des Kollegialitätsprinzips, wohl mitziehen. Aber wie du schon sagtest: es bleibt uns ja noch etwas Zeit bis dahin…

Themawechsel! Ich weiss ja nicht, wie es dir ergeht, aber bei mir kommt so langsam aber sicher Hunger auf (reibt sich mit der flachen Hand über den Bauch). Wollen wir uns was Leckeres kochen?

Das ist eine ganz wundervolle Idee! (schnippt Wickie-Style mit den Fingern in die Luft) 👩‍🍳

Na dann: herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch an diesem erten Tag des Jahres 2021, dem Jahr, in dem alles besser werden wird! (schmunzelt)

Ich hab zu danken. Danke für deine Offenheit und deine Inspiration. Schön, dass es dich gibt, mein lieber Schweinehund! (formt mit Daumen und Zeigefingern ein Herz in die Luft)

*Ich nenne meinen inneren Schweinehund liebevoll „Günnter“. Immer wenn er ins Spiel kommt, lautet die Gretchenfrage: Günnter (schweizerdeutsch für „gewinnt er?“) oder „Günnter nöd?“ (gewinnt er nicht?)

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Zum neuen Jahr gibt es hier ein exklusives Interview mit Doedel. Durchs Interview führt niemand Geringeres als Günnter*, Doedels innerer Schweinehund. Viel Spass bei der Lektüre.

Günnter: Mir fällt auf, dass, seit wir am ersten Weihnachtstag von zu Hause losgezogen sind, ein  Dauerlächeln auf deinen Lippen spielt. Wie kommt das?

Doedel: Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun. (lächelt)


Pah! Das sagst du ausgerechnet nachdem wir heute Morgen mal wieder wie von der Tarantel gestochen durch die halbe Stadt gehetzt sind, um einen Adapter für den Laptop zu besorgen?!?!! Die Geschichte wiederholte sich. Du erinnerst dich? Damals, drüben in Afrika?

Ich weiss worauf du anspielst und ich gebe zu, dass ich in dieser Sache nachlässig war. Ich erinnere mich, wie ich damals auf dem unvergesslichen Roadtrip durch Südafrika jeweils einen regelrechten Stecker-Turm aus diversen Steckern basteln musste, um mal eben husch mein Notebook aufzutanken. Das war Improvisation vom Feinsten und ich hatte mir fest vorgenommen, mir sofort nach der Rückkehr aus Afrika einen dreipoligen Adapter für meinen Laptop zu besorgen und wie soll ich sagen, zurück in der Zivilisation ist das dann irgendwie untergegangen.
Aber hey! Heute ist ja alles gut ausgegangen. Wir haben den Adapter und der Laptop ist vollgetankt – sonst könnten wir jetzt ja hier nicht auf der Terrasse sitzen und diesen Beitrag tippsen (lacht).
Apropos Südafrika: wusstest du, dass sich Kapstadt und Buenos Aires auf gleicher Höhe befinden? Ich meine Breitengrad technisch? Schon eindrücklich. Während der afrikanische Kontinent bei Kapstadt quasi aufhört, gehts hier in Südamerika erst so richtig los – verrückt, findest du nicht?


Du weichst vom Thema ab. Für mich, deinem inneren Schweinehund, war die Adapter-Geschichte heute Morgen ein Spürchen zuviel Adrenalin auf nüchternen Magen.

Das tut mir aufrichtig leid! Immerhin hatte der flotte Chico im ersten Laden direkt den goldenen Tipp für uns bereit und schickte uns zur flotten Chica ums Eck, welche in Sekundenschnelle ein flottes Dreikönigs- äh Dreipolstück aus der Schublade zückte.
Da fällt mir ein: kommenden Montag feiern wir heilige drei Könige. Was meinst du, wollen wir uns da – zur Feier des Tages, quasi – ein spezielles Abenteuer gönnen? Ich meine: nur wir beide, du und ich? (klimpert mit der Wimper)


Ich erinnere dich daran, dass wir am Montag unseren patagonischen Studenten-Alltag starten werden und um 9 Uhr unseren Einstufungstest schreiben. Mein Bedarf an Abenteuer wird damit gedeckt sein. Aber danke, dass du fragst. Ich werde hier ja nicht immer nach meinem Grad an Abenteuerlust gefragt (räuspert)  was uns zum Thema zurückbringt. Ich verstehe immer noch nicht, warum wir all diese Strapazen auf uns genommen haben: den langen Flug, das stundenlange Anstehen an der Passkontrolle am Flughafen in Buenos Aires, das ganze Tohuwabohu, um hier an Geld und vernünftige Lebensmittel zu kommen, …
Zuhause hätten wir zwischen den Jahren bequem auf der Couch abhängen können.

Du vergisst, dass zu Hause gerade jemand anderes auf unserer Couch abhängt. Da haben wir es hier in unserem kleinen, aber feinen Apartment doch wesentlich gemütlicher (zwinkert keck mit dem Auge, also mit dem linken, weil es mit dem rechten partout nicht gelingen will…).


Herrje, dieses Untervermiet-Projekt ist auch so ein durchgeknallter Furz jenseits der Komfortzone!

Dieser durchgeknallte Furz ermöglicht uns ein Leben in höchstmöglicher Unabhängigkeit. Es ist doch toll, dass während wir hier die unendlich langen Tage des patagonischen Sommers geniessen, ein erheblicher Teil unserer Fixkosten Zuhause gedeckt wird.


Ich weiss nicht. Mich befremdet der Gedanke, dass eben während wir hier die unendlich langen Tage des patagonischen Sommers „geniessen“, um es in deinen Worten auszudrücken, eine fremde Person in unserem Bett liegt und womöglich gerade Kaffee über die schicke Couch schüttet. 
Ich verstehe dein Hadern. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mir das auch nicht vorstellen können.


Woher der Sinneswandel?
Ich habe mich in den letzten Jahren intensiv mit der Frage, wie ich mein Leben generell und insbesondere die aktuellen wohl knackigsten Jahre leben möchte, auseinandergesetzt. Im Zentrum stand dabei die Frage, was mein ICH in 30 Jahren rückblickend meinem heutigen ICH raten würde zu tun oder eben nicht zu tun.**


Das klingt selbst für innere Schweinehunde wie mich interessant. Erzähle mehr darüber. 
Bist du sicher, dass du das hören möchtest?


Ja, scheiss los… schiess… ich meinte schiess los!
Na gut. Aber jammere nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt! (grinst)
Pass auf. Es startete mit meinem kompletten Neuanfang vor inzwischen acht Jahren. Es fühlte sich an, als ob einer aus Versehen statt der Pause-Taste den Reset-Knopf meines Lebens erwischt hatte und jedenfalls schlief ich damals monatelang auf einer Luftmatratze und redete mir die Yogamatte bequem und kuschelig wie eine Couch. Es war die Zeit, in der mir klar wurde, dass weniger mehr sein kann. Seither überlege ich mir sehr behutsam, was mich glücklich macht. Es ist eine kurze Liste. Ich führe einen minimalistischen Lebensstil.


Das erklärt noch nicht, weshalb wir unsere tolle Wohnung nun schon zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren wildfremden Menschen überlassen.

Im Verlaufe des Prozesses zur Klärung der Sinn-Frage wurde immer deutlicher, dass ich ein ausgeprägtes Autonomie-Bedürfnis habe. Ich denke, ein beachtlicher Teil davon ist angeboren, der andere Teil ist im Verlaufe der Zeit klammheimlich in mir herangereift. Der Schlüssel zu einem möglichst hohen Grad an Unabhängigkeit liegt im Loslassen. Mir ist bewusst geworden, dass ich mir mit Gedanken an Kaffeeflecken auf meiner Couch nur selbst im Weg stand. Inzwischen habe ich meinen Haushalt auf ein modulares Kistenmodell umgestellt, um meine persönlichen Habseligkeiten mit wenig Aufwand sicher wegschliessen zu können. Für Bett und Couch habe ich mir spezielle Schutzbezüge, sogenannte Hussen, besorgt.
Was man bei der ganzen Geschichte nicht vergessen darf ist, dass wir bei unserer Rückkehr ja selbst wochenlang in fremden Sachen gehaust und dabei eine gewisse Resistenz gegenüber Spuren und Gerüchen fremder Menschen entwickelt haben werden. (zwinkert)


Verstehe. Themawechsel. Du hast mir heute Morgen beim Zähneputzen zugemurmelt, dass wir ab nächster Woche Teilzeit arbeiten werden? Du meintest damit eigentlich die Schulbank drücken, korrekt? 

Nein, d.h. naja… genaugenommen heisst es beides.


Stopp! Ich weiss tatsächlich nicht, wieviel genauer ich das wissen möchte…

Ach komm schon, sei kein Frosch. Hihi… innerer Schweinefrosch… hihihihi… (klopft sich mit der rechten Hand mehrmals auf den rechten Schenkel)


Mir ist nicht nach Scherzen zumute!

¡Disculpa! Ich meine: äxgüsi… wie war nochmals die Frage? Achso, ja… bezüglich der Arbeit (verkneift sich sichtlich ein erneutes Kichern). Also die Sache ist die, dass ich eines meiner aktuellen Projekte von hier aus weiter betreuen werde. Bämm! Na, was sagst du dazu?


Ich dreh‘ gleich durch, ey! Hätte da nicht jemand anderes einspringen können, sodass mir wenigstens das erspart geblieben wäre?

Eben nicht! Die Idee nach dieser Auszeit hier in Patagonien entstand im Juni vergangenen Jahres. Ich hatte mich spontan auf ein dreimonatiges Praktikum in einer kleinen Pension drüben im chilenischen Seengebiet beworben und prompt eine  Zusage erhalten. Einige Wochen später scheiterte das Projekt dann aber leider. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich mich schon voll auf ein südamerikanisches Abenteuer eingestellt und meine Enttäuschung liess sich nicht abstreiten. Ich überlegte mir also, ob ich mich gegebenenfalls neu arrangieren konnte und da rückte bald die Idee eines Sprachaufenthalts in Kombination mit einer gesunden Portion Bewegung an der frischen Luft im Outdoor-Mekka rund um Bariloche/Patagonien in den Vordergrund. Ich sicherte mich kurz ab, was wohl mein ICH in 30 Jahren zu der Idee meines heutigen ICHs sagen würde und zack, war die Sache für mich klar wie der Himmel hier über Patagonien in diesen wundervollen Sommertagen. Allerdings hatte ich im Job inzwischen zu einem grösseren Projekt zugesagt. Also suchte ich das Gespräch mit meinem Chef. Scheu wie ein Reh erzählte ich ihm von meiner Idee, im patagonischen Sommer zu überwintern. Er meinte nur:“Was soll ich mit einer Idee? Komm wieder, wenn du einen konkreten Plan hast und dann schauen wir, was sich da machen lässt.“ Das liess ich mir nicht zweimal sagen und unterbreitete ihm einige Tage später meinen konkreten Überwinterungsplan – einer kunterbunten Mischung aus Sprachaufenthalt, viel Bewegung an der frischen Luft und spannenster Projektarbeit. Et voilà.


Da hast du Glück mit deinem Arbeitgeber. Das könnte sich natürlich nicht jeder erlauben.

Ersteres streite ich nicht ab: das ist Tatsache und mein Chef ist ein wahrer „Enabler“ und  ein Goldschatz noch dazu! Zweiteres kommt mir regelmässig zu Ohren. „Was, du haust schon wieder ab? Das würde ich auch gerne machen, aber das kann ich mir in meiner Position, bei meinem Chef, bei der aktuellen Wirtschaftslage, blablabla nicht erlauben. Die Aufzählung kann mit beliebigen Schiess-mich-tot-Ausreden erweitert werden.“ Auf meine Frage ob das Thema denn schon mal konkret diskutiert wurde, folgt dann höchstens noch ein „naja… ich weiss halt, dass ich damit nicht durchkommen würde. Niemals!“
Ich frage mich dann jeweils, ob die sich eigentlich schon mal mit ihrem ICH von in 30 Jahren auseinandergesetzt haben… (blickt nachdenklich vor sich hin) Ich meine, es ist mir schon klar, dass nicht alle mit den idealen Rahmenbedingungen für solche Luxus-Projekte gesegnet sind. Aber bei der „Was-ist-in-30 Jahren“-Perspektive geht es ja darum, das Optimum aus den aktuellen Umständen herauszuholen – also ein erfüllendes Leben zu leben, wie es einem in der persönlichen Situation eben möglich ist.


Irgendwann werde ich vielleicht auch Gefallen an diesem Affentheater finden können – man soll schliesslich niemals nie sagen. Für heute weiss ich genug. Und was morgen auf uns zukommt, wirst du mir bestimmt noch zum passenden Zeitpunkt mitteilen, KORREKT?!

Na klar. Ehrensache! (kichert heimlich ins Fäustchen)


Herzlichen Dank für dieses Interview und alles Gute fürs neue Jahr!

¡Feliz año! Frohes neues Jahr, mein lieber Schweinehund.
Schön, dass es dich gibt! (formt mit Daumen und Zeigefingern ein Herz in die Luft)


Das Interview führte: Günnter*, mein innerer Schweinehund

*Ich nenne meinen inneren Schweinehund liebevoll „Günnter“. Immer wenn er ins Spiel kommt, lautet die Gretchenfrage: Günnter (schweizerdeutsch für „gewinnt er?“) oder „Günnter nöd?“ (gewinnt er nicht?)

** Die „Was-ist-in-30Jahren“-Perspektive nach John Strelecky. Mehr dazu gibts im Artikel Safari zu den «BIG FIVE FOR LIFE»

Leute die bis hierhin gelesen haben, haben auch folgende Artikel gelesen. Glaubs 🙂

Rückblick auf das mit Abstand (!) skurrilste Jahr seit Doedelgedenken (2020)

Leben wie Robinson Crusoe – nur die Insel fehlt

Myanmar: Bike-Reise durch das Land des Lächelns. Und der Flip-Flops.

Ich bin weiss Gott schon weit herumgekommen auf dieser Erde. Ein Kontinent blieb von mir bisher jedoch unangetastet: Asien. Das hätte sich zwar längst ändern dürfen, aber ich stolperte stets über die banalen W-Fragen. Wohin sollte ich denn konkret gehen? Wann wäre ein idealer Zeitpunkt für eine Asien-Reise? Wie würde ich denn überhaupt reisen wollen? Langer Rede, kurzer Sinn: so richtigrichtigrichtig wollte das Asien-Feuer in mir einfach nicht entfachen.

Während der Lektüre von Jan-Philipp Sendkers Burma-Serie jedoch wurde ich neugierig auf das geheimnisvolle und von Sendker geradezu brilliant beschriebene Land in Südostasien. Bald kristallisierte sich Burma als potenziell ideale erste asiatische Destination für mich heraus. Fortan recherchierte ich also gezielt nach einem geeigneten Reisemodell. Einmal mehr wurde ich schliesslich auf der Website des Veranstalters Bike Adventure Tours fündig, dem ich bereits zwei unvergessliche Bike-Abenteuer (Kuba und Namibia) zu verdanken hatte. Und damit war die Sache dann relativ rasch klar und die Einschreibung reine Formsache.

Raider heisst jetzt Twix…

… und Burma heisst jetzt Myanmar.
… und Rangun heisst jetzt Yangon.
… und der Fluss Ayeryawady heisst jetzt Irrawaddy.
… und, und, und…

Es gibt tatsächlich einiges, was einem bzgl. Myanmar auf Anhieb irritiert. Angefangen beim Landesnamen. Wenn ich hierzulande jemandem erzähle, dass ich in Myanmar war, ernte ich meistens ein mit hochgezogenen Augenbrauen untermaltes, langgezogenes „Häää?“. Wenn ich dann „Burma“ hinterherliefere, können die meisten Leute mehr mit meiner Aussage anfangen. Weiter geht es mit der grössten Stadt des Landes: Rangun heisst heute Yangon. Rangun… äh… Yangon war bis vor ein paar Jahren die Haupstadt Burmas… äh… Myanmars. Doch eines Tages befand einer, dass mal wieder etwas Veränderung angebracht sei und so wurde kurzerhand das Städtchen Naypyidaw mitten im damals noch weitgehend unerschlossenen Dschungel zur Hauptstadt ernannt.

Ein weiteres Resultat einer ähnlichen Nacht-Nebel-Entscheidung findet sich im burmesischen Strassenverkehr. Burma war eine britische Kolonie. Die Autos in Myanmar sind somit rechtsgesteuert – „very british“ eben und insofern nichts Spektakuläres. Allerdings fahren diese rechtsgesteuerten Autos nicht etwa wie man dies im Sinne von „very british“ erwarten würde, auf der linken, sondern auf der rechten Fahrbahn. In der Konsequenz haben Autobusse ihre Ausstiege auf der linken Seite und so verliessen wir unseren Bus also stets zur Strassenmitte hin – nichts für schwache Nerven, ey! 😉

Shwedagon Pagode: hier ist alles Gold, was glänzt

Myanmar wird auch „das Goldene Land“ genannt. Spätestens wenn man barfuss durch die achteckige Terrasse der Shwedagon Pagode schlurft, zweifelt man keine Sekunde mehr an dieser Aussage. Denn hier ist tatsächlich alles Gold, was glänzt – wow!

Abendstimmung an der Shwedagon Pagode in Yangon, Myanmar/Burma
Shwedagon Pagode in Yangon: hier ist tatsächlich alles Gold was glänzt.

Am besten lässt man die energiegeladene Atmosphäre rund um die Shwedagon Pagode unvoreingenommen und mit allen Sinnen auf sich wirken. Zur Abenddämmerung…

…dann, wenn das Licht am schönsten einwirkt und die goldene Kulisse geradezu märchenhaft erstrahlen lässt.

…dann, wenn sich der Geruch von Räucherstäbchen mit dem munteren Quietschen der Fledermäuse und dem zarten Bimmeln der Glöcklein paart.

…dann, wenn hunderte friedvoller Buddhisten sich versammeln, um im Schneidersitz am Boden sitzend ihre Mantras zu rezitieren.

Ja dann, genau dann!

Kerzenmeer bei der Shwedagon Pagode in Yangon, Myanmar/Burma
Tolle Abendstimmung rund um die Shwedagon Pagode

Die acht Ecken der Terrasse repräsentieren übrigens die Wochentage. In Myanmar zählt der Mittwoch als doppelter Tag mit Vormittag und Nachmittag. Die Wochentage haben generell einen besonderen Stellenwert in Myanmar. So wird der Name eines Kindes nämlich nicht etwa durch die Eltern bestimmt, sondern er ergibt sich in astrologischer Konsequenz aus dem Zeitpunkt der Geburt.

Ich bin das shwedagonsche Achteck zweimal gelaufen und ich hätte es locker noch zwei weitere Male laufen können. Der Abschied von der Shwedagon Pagode fiel mir etwas weniger schwer, als uns unser Tour-Guide versicherte, dass wir auf unserer Reise noch ausreichend viele Pagoden und Buddha-Figuren sehen würden.

Er sollte sowas von recht behalten! 😬

Mönch mit Smartphone vor einer Buddha-Figur bei der Shwedagon Pagode in Yangon, Myanmar/Burma
Ein Mönch mit Smartphone. Die Zeiten ändern sich und sie ändern sich rasant.

 

Die Reise im Überblick

Übersichtskarte der Reise durch Myanmar/Burma
Überblick der Reise. (Bildquelle: Bike-Adventure Tours.ch)

Nach zwei Nächten in Yangon startete unsere Aktiv-Reise schliesslich mit einem Triathlon: drei Fortbewegungsmittel 🛩️ 🚴‍♀️ 🛥️ an einem Tag, tschagga.

Per Inlandflug 🛩️ gings früh morgens von Yangon nach Heho auf knapp 1000 Metern. Direkt am Flugplatz in Heho warteten unsere Bikes auf uns. Hier wurden also als erstes die Ärmel hochgekrempelt, die mitgebrachten Sättel und Pedalen montiert, Bremsen und Federgabeln kontrolliert und dann ging es endlich los mit unserer Einrolltour 🚴‍♀️ und den ersten Bike-Kilometern in Myanmar. Erstes Etappenziel war der malerische Inle-See. Am Ufer des Sees wechselten wir unser Fortbewegungsmittel erneut und liessen uns bequem per Longtail-Boot 🛥️ zu unserer schicken Pfahlbau-Lodge mitten im See gondeln. Hach, hach….

Faszination Inle-See

Das Pfahlbauhotel
Skylake Inle Resort im Inle See

Der Inle-See ist bekannt für seine Einbeinruderer. Um beide Hände fürs Fischen frei zu haben, wickeln die gelenkigen Burmesen nämlich das Ruder einfach mal eben um ein Bein und bewegen sich so wieselflink auf dem See fort.

Einbeinruderer beim Fischen auf dem Inle See in Myanmar/Burma
Einbeinruderer beim Fischen auf dem Inle See

Einige Kolleginnen und Kollegen unserer Reisegruppe liessen es sich nicht nehmen und versuchten sich selbst als Einbeinruderer. Die meisten scheiterten bereits daran, sich mit beiden Füssen auf der Bootsspitze einigermassen ruhig und aufrecht zu halten. Einzelne schafften es, ein Bein dezent anzuheben. Das war’s! Keiner schaffte es, das Ruder um das Bein zu schlingen und lockerflockig draufloszupaddeln. Und so legten die Probanden den Fokus rasch auf einen möglichst eleganten Abgang vom Boot, um der Gruppe wenigstens eine coole Stunt-Show zu bieten. 🤸‍♂️➰🤸‍♂️ ➰🙃

Lotus-Seide: ganz schön edel,mann!

Den nächsten Tag verbrachten wir ausschliesslich auf dem Inle-See. Per Longtail-Boot wurden wir von einer Wow-Szenerie zur nächsten geschippert. So besuchten wir beispielsweise eine Lotus-Seiden-Weberei mitten auf dem See.

Lotus-Weberei auf dem Inle See, Myanmar/Burma
diese Burmesin demonstriert, wie aus den bis zu 2 Metern langen Lotusstengeln Webgarn gewonnen wird.

 

alter Burmese spinnt Faden
Das Leben und auch das Arbeitsleben findet in Myanmar grossmehrheitlich auf dem Boden statt

 

Webstuhl in der Lotus-Weberei auf dem Inle See, Myanmar/Burma
Die Webstühle hier werden mit Fuss-Pedalen bedient. Perfektes Bike-Training, eigentlich 🙂

 

Originell: die schwimmenden Gärten

Mich persönlich haben die schwimmenden Gärten auf dem Inle-See fasziniert. Auf einem Fundament aus Wasserhyazinthen werden hier Tomaten, Blumenkohl, Auberginen und Bohnen angebaut. Ein kulinarisches Muss ist übrigens der Tomatensalat nach Art der Shan. Mmmmhhhh…. 😋

Schwimmende Gärten auf dem Inle See, Myanmar/Burma
Die schwimmenden Gärten auf dem Inle See werden mit Booten angelegt und bewirtschaftet.

 

Schwimmender Souvenir-Shop auf dem Inle See, Myanmar/Burma
Schwimmender Souvenir-Shop zwischen den schwimmenden Gärten.

 

Flower-Power 🌺

Einer der schönsten Bike-Tage erlebte ich persönlich als wir durch die üppige burmesische Flora radelten und der Duft von Blumen und Gemüse unseren zarten Nasen schmeichelte.

Üppige Landschaft in Myanmar/Burma
Was für eine herrlich übbige Landschaft die sich uns hier präsentierte.

 

Blumenfeld in Myanmar/Burma
Blumen so weit das Auge reicht und die Nase riecht.

 

Blumen-Mädchen beim Blumen pflücken in Myanmar/Burma
Blumen-Mädchen Myanmar-Style.

Foto 27.11.17, 05 55 44

Reisverarbeitung in Myanmar/Burma
Hier wird gerade die Spreu vom Weizen… äh… vom Reis getrennt.

 

Blumenkohl-Transporter (Ochsenkarren) in Myanmar/Burma
Blumenkohl-Transport

 

Bauernhof mit Tomatenlager in Myanmar/Burma
Bauernhof mit Tomaten-Lager.

 

Frauen-Power 💪

Überrascht hat mich definitiv die Rolle der Frau in Myanmar. Viele handwerkliche und insbesondere körperlich anspruchsvolle Arbeiten werden nämlich hauptsächlich von Frauen ausgeübt.

Burmesische Frauen im Strassenbau
Der Strassenbau ist in Myanmar eine klare Frauen-Domäne.

 

2 Burmesinnen formen Lehmsteine
Auch die Produktion von Lehmsteinen wird mehrheitlich von Frauenhand erledigt.

 

Eine Burmesin fährt mit einer Schubkarre die Lehmsteine zum Trocknen
Die fertig geformten Lehmsteine werden nun zum Trocknen geführt.

 

Tausende von Lehmsteinen sind zum Trocknen an der Sonne aufgestellt.
Unser Tour-Guide Myint Than vor der topmodernen Lehmstein-Trocknungsanlage 😉

 

Eine Burmesin trägt einen Korb mit Sand auf dem Kopf
Ein solcher Korb mit nassem(!) Sand wiegt gut und gerne 30-40 Kilogramm. Also mir war mein 13kg schwerer Reiserucksack schon genug…

 

Back to School

Auf unserer Trekking-Tour ab Pindaya besuchten wir eine Grundschule in einem burmesischen Bergdorf. Schalk scheint hier Pflichtfach zu sein 😉

Winkende Kinder in einer burmesischen Schule
Die anfängliche Zurückhaltung verflog…

 

3 Kinder sitzen in einer burmesischen Schulbank
… spätestens als wir unser legendäres „Buurebüebli“ zum Besten gaben.

 

🚴‍♀️ On 🚴‍♀️ The 🚴‍♀️ Road 🚴‍♀️ To 🚴‍♀️ Mandalay 🚴‍♀️

Ein anspruchsvoller Bike-Tag erwartete uns auf dem Weg nach Mandalay. Auf knapp 100 Kilometern galt es 1300 Höhenmeter zu bewältigen. Natürlich bestand die Möglichkeit, zumindest Teilstrecken im Begleitbus zurückzulegen. Aber man reist ja schliesslich nicht um die halbe Welt, um dann freiwillig in der zweiten Reihe Platz zu nehmen… 😉

Screenshot der Tracking-App Runtastic
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Marmor, Stein und Eisen bricht,
aber diese Buddhas nicht

Die geheimnisvolle und oft besungene Stadt Mandalay erkundeten wir tags darauf auf einer Sightseeing-Tour per Bike. Unter anderem besuchten wir eine Marmorsteinmetzerei.

Ein Burmese bearbeitet eine Buddha-Figur aus Marmorstein
Ein Burmese bearbeitet eine Buddha-Figur aus Marmorstein

 

Buddha-Figuren aus Marmor in Mandalay, Myanmar/Burma
Auch Buddhas haben ihre Ecken und Kanten.

Grosser Wäschetag am Flussufer

Einen weiteren Stopp legten wir am Ufer des Irrawaddy ein. Es ist wahnsinnig beeindruckend, mit wie wenig Besitztum sich die Burmesen hier arrangieren und ihr Leben auf primitivste Art und Weise meistern – stets mit einem Lächeln im Gesicht. Und hey! dieses Lächeln steckt an – wer in Myanmar schlechte Laune hat, ist selber schuld!
Man hat tatsächlich niemals den Eindruck, dass die Menschen hier unzufrieden wären oder sich gar selbst bemitleiden würden. Grund dafür hätten sie – gemessen an unseren europäischen Massstäben – sicherlich genug, aber sie tun es nicht. Von dieser Lebenseinstellung könnte dürfte sich manch ein Westlicher gerne eine fette Scheibe abschneiden…

Wäscheleinen mit bunten Kleidungsstücken direkt am Ufer des Irrawaddy in Mandalay, Myanmar/Burma
Grosser Wäschetag. Auffallend im ganzen Land: die farbenfrohen und stets sauberen Kleider.

 

Zwei Burmesinnen waschen Wäsche in braunem Wasser. Myanmar/Burma
Bewunderswert wie weisse Wäsche unter diesen Umständen weiss bleibt… 🤔

Mandalay Hill – Ja, ich will! ❤

Man ist nicht in Mandalay gewesen, wenn man nicht auf dem Mandalay Hill war. Ich weiss nicht wieviele Treppenstufen es genau sind, aber es sind einige. Hunderte. Vielleicht sogar tausende. Aus Ehrfurcht vor Buddha deponiert man seine Schuhe vor der ersten Stufe, die zu ihm, zu Buddha, hinaufführt und legt den kompletten Treppenmarsch somit barfuss zurück. Überall sonst auf der Welt hätte ich mir für einen solchen Kletter-Marsch vernünftiges Schuhwerk angeschnallt…

Turm auf dem Mandalay Hill, Myanmar/Burma
On the Very Top of Mandalay Hill.

Foto 07.12.17, 18 04 18
Als grossgewachsene Europäerin fällt man in Myanmar aus der Reihe und ist der Hingucker schlechthin. Gleich mehrmals durfte ich während der Reise für ein Selfie posieren.
Buddha-Figur auf dem Mandalay Hill, Myanmar/Burma
On the Very Top of Mandalay Hill trohnt er in seiner gewohnten Pose: der Buddha.

 

Für die einen ist es U-Bein…

… für die anderen die längste Teakholz-Brücke der Welt. Für alle aber ist sie absolut bewundernswert, die über einen Kilometer lange U-Bein-Brücke bei Mandalay.

Lange Teakholz-Brücke (U-Bein-Brücke) bei Mandalay, Myanmar/Burma
Egal, ob du O-Beine oder X-Beine hast: auf der U-Bein-Brücke sind alle Menschen gleich.

 

Ein Tag auf dem Irrawaddy River

Einen chilligen Tag verbrachten wir, als wir auf dem Irrawaddy River von Mandalay zur Pagoden-Hauptstadt Bagan tuckerten. Kurz nach Ablegen mussten wir allerdings nochmals für ein Stündchen an einer Sandbank ankern. Der Nebel war so dicht, dass man keine zehn Meter weit sehen konnte. Unser Tour-Guide war sichtlich perplex ob dieser ungewöhnlichen Wetter-Situation. Meine Theorie ist ja, dass die überaus gastfreundlichen Burmesen ihn, also den Nebel, extra für uns Aargauer organisiert hatten. Schliesslich sollten wir uns ja ein bisschen wie zu Hause fühlen… 🙄

Als sich der Nebel dann endgültig auflöste, genossen wir eine komplett neue Perspektive auf eine wunderschöne Landschaft.

Blick vom Boot auf eine grosse Brücke im Irrawaddy-River zwischen Mandalay und Bagan
*sing* Seemann, lass das Träumen, denk nicht an zuhaus…

 

Bagan: Hauptstadt der Pagoden und Tempel

Zum krönenden Abschluss führte uns unsere Reise nach Zentral-Myanmar und dort in die Pagoden-Hauptstadt Bagan. Myint Than, unser Tour-Guide, wusste eben schon, wovon er sprach. Damals. Am allerersten Abend. Beim Tuesday-Corner an der Shwedagon-Pagode. Ja, wir sahen noch viiiiieeeeele weitere Pagoden während unserer zweiwöchigen Reise. Bei einigen Gruppen-Mitgliedern trat der Zustand „overpagoded“ bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein. In Bagan waren aber wohl so ziemlich alle infiziert. 😜

Bike-Gruppe fährt durch die Pagoden von Bagan.
Bike-Tour durch die Pagoden-Landschaft von Bagan. (Foto: Helen Marugg)

 

Flippst du schon oder floppst du noch?

Wer Flip-Flops mag, wird sich in Myanmar rundum wohl fühlen. Die kultigen Sandalen sind ja sowas von superpraktisch in einem buddhistischen Land, in dem man (gefühlt) alle paar Meter vor einer Schuhverbotstafel steht. Alle tragen sie:

  • die Einbeinruderer auf dem Inle-See,
  • die Mönche beim Einsammeln ihrer Opfergaben,
  • die Mädels im Strassenbau,
  • die Busfaher beim Manövrieren ihrer rechtsgesteuerten Vehikel auf der linken Fahrbahn,
  • die Receptionistin im 4-Sterne-Hotel
  • einfach ALLE!

Unser burmesische Tour-Guide Myint Than absolvierte sogar die 6-stündige Trekking-Tour auf teilweise felsigem, glitschigen Terrain in Flip-Flops. Leckt’s MYANMARsch! 😜

Ich kann Myanmar als einzigartige, entschleunigende Reisedestination jedem wärmstens ans Herz legen.  Drüben auf meiner Facebook-Seite findest du weitere Impressionen dieser unvergesslichen Reise. Viel Spass beim Stöbern.


Buch-Empfehlungen

Gebrauchsanweiung für Myanmar von Martin Schacht. Tolle Inputs zur Vorbereitung und Einstimmung auf das Land und ein nützliches Nachschlagewerk während der Reise.

Burma-Serie (Herzenhören und Herzenstimmen) von Jan-Philipp Sendker. Mir wurde erst im Verlaufe der Reise bewusst, wie unglaublich authentisch die beiden Bücher geschrieben sind. Wow, einfach nur wow!!!

Artikel weiterer Bike-Reisen

Bike-Safari durch NamibiaSim-Salsa-Bim: Verzaubert von Kuba

Aletsch du mir am Tschööpli

Manchmal überrasche ich mich mit meiner Spontaneität selbst. Gestern war manchmal. 🙂

Eine Wanderung zum grossen Aletschgletscher hatte ich zwar schon länger im Hinterkopf, direkt daneben lag jedoch stets der Beipackzettel mit unzähligen Wenn-und-Aber-Fragen und so dachte ich, dem Unterfangen würde dann mal eine intensive Planungsphase vorausgehen. Doch als ich gestern Morgen aus meinem Dornröschenschlaf erwachte, drängte sich der Hinterkopf-Gedanke in den Vordergrund und vermittelte mir das Gefühl, dass heute ein guter Tag für das Abenteuer Aletsch sei.

Ich startete also die Aletscharena-App, welche ich mir bereits vor einiger Zeit auf meinem Smartphone installiert hatte, wischte durch die prächtigen Webcam-Bilder und sagte mir:“Hey! Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Nach einem abschliessenden Blick auf die Wetter-Prognosen ging schliesslich alles ganz schnell. Eine Stunde später sass ich in kompletter Wandermontur im Zug.

Ich wusste, dass ich mindestens nach Brig im Kanton Wallis fahren musste. Die zwei Stunden Zugfahrt bis dorthin nutzte ich also, um den weiteren Verlauf des Tages zu skizzieren. Und so löste ich irgendwo zwischen dem Lötschbergtunnel und Brig das Anschluss-Ticket auf die Bettmeralp. Zuerst gings von Brig mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn bis Betten Talstation, wo bereits die Luftseilbahn auf uns – eine kunterbunt zusammengewürfelte kleine Wanderschar –  wartete.

Walliser Chalets vor dem Bettmerhorn
Idyllisch: Chalets auf der Bettmeralp. Im Hintergrund das Bettmerhorn

Kapelle Maria zum Schnee auf Bettmeralp, Wallis Schweiz

Von nun an gings hinauf: von der Bettmeralp (1950 m) via Bettmersee (2006 m) und Blausee (2207 m) bis zum berühmten ViewPoint Moosfluh (2333 m).

Pnoramakarte Aletscharena

Und dann stand ich für einen, zwei oder sogar drei kostbare Augenblicke einfach mal nur da und sog jedes einzelne Detail dieses atemberaubend schönen Panoramas in mir auf – mit Tränen der Rührung in den Augen und einem Gefühls-Cocktail aus Stolz, Patriotismus und tiefer Dankbarkeit.

ViewPoint Moosfluh beim grossen Aletschgletscher im Wallis/Schweiz
ViewPoint Moosfluh

Foto 25.08.17, 10 56 36

Nachdem ich mich im herzigen Moosfluh-Beizli mit Grillwurst und einem Suure Moscht gestärkt hatte, führte mich der Weg via Hohfluh (2227 m) durch den wunderschönen Aletschwald mit seinen uralten Lärchen und Arven. Spätestens hier lohnt es sich übrigens definitiv, seinen Geruchsinn zu aktivieren – mmmmhhhhh!

Rastplatz im Aletschwald mit Blick auf den grossen Aletsch-Gletscher

Wanderer auf einem Wanderweg in der Aletscharena beim grossen Aletsch-Gletscher

Schon von weit oben sticht einem schliesslich die Villa Cassel auf der Riederfurka (2065 m) ins Auge. Die Villa beherbergt das Pro-Natura-Zentrum. Es gibt durchaus schlimmere „Geschäftssitze“ – wow! Das nächste Mal werde ich hier ein grosszügigeres Zeitfenster einplanen, versprochen! Hatte ich schon erwähnt, dass das gestern alles ziemlich spontan zustande kam? 😉

Blick auf die Villa Cassel in Riederfurka beim grossen Aletsch-Gletscher

Via Riederalp brachte mich der Herrenweg schliesslich zurück zum Ausgangspunkt auf der Bettmeralp. Zur Krönung dieses Bilderbuchtages fehlte nun nur noch eines: eine echte Walliser Röschti – et voilà 🙂

Walliser-Röschti

Meine Tweets zum gestrigen Bilderbuchtag findet ihr unter dem Hashtag #WALLISmirwertbin

 

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